Irrationalismus und Fundamentalismus – Bedrohung von Frieden, Demokratie und Laizität
Mehr als hundert TeilnehmerInnen aus ganz Europa trafen sich in Wien, um am Kongreß „Freidenker und das massive Anwachsen des religiösen Fundamentalismus“ teilzunehmen. Die Brisanz des Leitthemas wurde durch das Ergebnis der wenige Tage zuvor stattgefundenen Wahlen in Italien mit dem gewaltigen Rechtsruck erneut bestätigt. Der Zusammenhang zwischen Religion und Politik beschäftigte fast alle RednerInnen.
Anton Szanya, der frühere Obmann des Freidenkerbundes Österreich, führte in seinem Vortrag „Religiosität und politischer Extremismus“ den gegenwärtigen Fundamentalismus auf die Krise der Moderne zurück. Er sagte, „daß die Moderne jeden, der sich seiner gewiß ist und die gebotenen Gelegenheiten zu nützen versteht, Spielraum und Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Sie kann aber demjenigen, der nach Halt, Geborgenheit, Orientierung und Tröstung sucht, am Ende nichts anderes bieten als die Rückverweisung auf ihn selbst. Hier liegt der dialektische Zwiespalt der Moderne: Sie setzt die Ich-Stärke, Orientierungssicherheit und Selbstgewißheit voraus, deren breitenwirksame und zuverlässige Ausbildung sie durch ihren Relativismus zwar absichtslos aber fortwährend untergräbt“. Der Fundamentalismus dagegen „setzt an die Stelle des Zweifels und der generellen Ungewißheit ein absolutes Wissen, das jedem Zweifel enthoben ist. Dieses Wissen wird allerdings nicht durch seinen Inhalt oder seine Herkunft zum Fundament absoluter Gewißheit, sondern durch seine Immunisierung gegen den Zweifel im Zuge der kulturellen Entwicklung und, wo der Fundamentalismus dann an der Macht ist, durch die institutionelle Erzwingung seines bevorrechteten Wahrheitsanspruchs“.
Diese Krise mit dem Fundamentalismus als Antithese zum Fortschritt der aufklärerischen Rationalität kann auch zu einer Chance für eine neue Kräftigung der Moderne werden, wenn man sich Gedanken über Wege aus der derzeitigen Krise macht. Hierzu bedarf es einer neuen Persönlichkeitsbildung. Dieser neue Typus Mensch müßte nach Erich Fromm ein „revolutionärer Mensch“ sein. „Es wäre dies ein Mensch, der sich von den Bindungen an Blut und Boden, an Vater und Mutter, von der Loyalität gegenüber dem Staat, der Klasse, Rasse, Partei oder Religion gelöst hat. Er müßte ein Humanist sein, sofern er sich in der ganzen Menschheit erfährt und ihm nichts Menschliches fremd ist. In ihm sind Skepsis und Glaube. Er ist unabhängig; was er ist, verdankt er seinen eigenen Bemühungen; er ist frei und keines Menschen Diener“.
Genau die entgegengesetzte Entwicklungstendenz konnte Prof. Joachim Meisner aus Katowice mit seinem Vortrag „Der Gottesstaat Polen“ in seiner Heimat aufweisen. Polen wird gegenwärtig entgegen dem Mehrheitswillen seiner Bevölkerung christianisiert. Dies ist mit ein Werk von Karol Wojtyla als Papst.
Joseph Berny aus Frankreich forderte laizistische und demokratische Freiheiten für alle Staaten der Welt. Bei allen diesen Bemühungen um Reformen muß das philosophische Denken vor den anderen Denkungsarten den Vorrang haben. Es sollte endlich die gemeinsame Geschichte aller Völker oder besser noch die Menschheitsgeschichte geschrieben werden.
In der von Klaus Hartmann, Deutschland, vorgetragenen Abschlußresolution heißt es: „Die Weltunion der Freidenker versichert ihre Solidarität allen Opfern kriegerischer Gewalt, des Nationalismus, Rassismus und des religiösen Fundamentalismus. Die Weltunion der Freidenker verurteilt insbesondere die gegenwärtigen Bestrebungen zur Neuaufteilung der Welt und der Märkte sowie die fortgesetzte Ausplünderung der unterentwickelt gehaltenen Länder. Die Weltunion der Freidenker unterstützt alle Aktivitäten, die zur Bannung der Kriegsgefahr und der Abrüstung beitragen, und die auf die internationale Ächtung des Krieges gerichtet sind. Sie wendet sich gegen jede Form der Kriegsvorbereitung, ob militärischer, politischer oder ideologischer Art. Sie wendet sich gegen die zunehmende Enteignung der Meinungsfreiheit durch tendenziöse Berichterstattung in den Medien, die eine Bereitschaft zu Krieg und Gewalt fördern. Sie appelliert an die Massenmedien, ihre Verantwortung für die Freiheit der Meinungsbildung mündiger Bürger und für die Erhaltung des Friedens gerecht zu werden. Mit ihrem bedingungslosen Eintreten für den Frieden verteidigt die Weltunion die Ideale des freien Denkens und die elementare Voraussetzung dafür, sie wirksam werden zu lassen“.
In einer weiteren Resolution sprach man sich für die Erhaltung des international bedeutenden Kunstwerkes „Bauernkriegs-Panorama“ von Werner Tübke in Bad Frankenhausen/Thüringen aus.
Dr. phil. Roland Ebert